Praxistest Tonbandgeräte

Erfahrungsbericht mit Wertungen nach anwendungstechnischen und praxisbezogenen Prüfmethoden.

Ein Spitzengerät für Tonfilm-Fans:
Revox B77 - robust, sicher und präzis

Seit Herbst 1977 ist das Tonbandgerät B 77 des schweizer Herstellers Willi Studer auf dem Markt. Die Grundkonzeption wurde vom Vorgängermodell A 77 - der ersten Volltransistorausführung nach der langen Baureihe der Serie 36 - übernommen, von dem seit gut zehn Jahren an die 400000 Exemplare dieser Konzeption entstanden.

Tradition, wohin man blickt - ein guter Anlaß also, das Bewährte auszubauen. Wie zu erfahren ist, wird der Typ A 77 weiterhin produziert, schon auf Grund der vielen Sonderausführungen, doch soll einmal in ferner Zeit das B-Modell den Vorgänger ablösen.

Nach außen hin bietet sich das Gerät größer, übersichtlicher und recht ansprechend im "technic look" von grau, anthrazith und alufarben. Im Inneren sieht es dank integrierter Bauteile und neuer Schaltungsführung, fast immer noch leerer aus als beim A77, obwohl der Aufwand an Elektronik merklich zugenommen hat.

Die äußere Gestaltung geschah passend zu der Revox-Baureihe B 750/760/790 von Verstärker, Tuner und Plattenspieler, so daß nun alles auch in die üblichen 19 Zoll Studiogestelle montiert werden kann. Der Hersteller liefert hierzu auch ein passendes eigenes Rack aus Stahlblech für den Heimgebrauch.

Nützliche Anleihen an praktischer Studiotechnik

Der Trend der Entwicklung läßt sich unschwer erkennen: Galt früher der Zweck der ersten Revox-Tonbandgeräte dem soliden Heimgebrauch für Musiker, Musikfreunde und technisch Begeisterte über viele Jahre, so übernimmt mit der Maschine B77 der Besitzer ein recht nützliches Stück an praktischer Studiotechnik. Dazu zählen in erster Linie eine reibungslose, betriebssichere Bedienung aller Bandlauffunktionen, eine genaue Aussteuerungs- und Aufnahmekontrolle sowie die übliche Tonbandmontage von Schnitt und Verklebung. Hinzu kommt die veränderliche Bandgeschwindigkeit, die im gängigen Studio- und Musikbetrieb längst üblich ist.

Rundum ist den Entwicklern mit der B77 ein gutes Stück für den praktischen Tonbetrieb gelungen, was auch heißt, sich in der Konkurrenz von Welterzeugern aufs Neue zu behaupten und Fortschritt aufzuzeigen. Bedienungskomfort durch Loqikschaltung: Das übliche Drei-Motoren-Laufwerk übernimmt alle Funktionen des direkten Bandtransports, ein einziger Riemen treibt das Zählwerk an. Die Achse des Tonmotors ist zugleich die Welle für den Capstan-Antrieb des Tonbands bei Aufnahme und Wiedergabe, geschliffen mit einer Rundlaufgenauigkeit von 0,001 mm.

Eine elektronische Regelung hat das Band im Griff

Die elektronische Regelung des Tonmotors und damit der Bandgeschwindigkeit erfolgt präzis mittels induktiver Abtastung des Motoraußenläufers und dem darauf erfolgendem Frequenzvergleich. Dieser wurde gegenüber der A77 verbessert und erlaubt nun auch über ein externes Zusatzgerät die freie Regelung der Bandgeschwindigkeit des Gerätes.

Wichtigste Neuerung ist jedoch die elektronische Steuerung aller Lauffunktionen (ohne Relais, durch Transistoren, Tyristoren und IC's) über eine Logikspeicherung. Gefahrlos können die sechs Tipptasten der Laufwerksteuerung bedient und gewechselt werden, ohne den Stillstand der Spulen zu beachten; der sonst so gefürchtete Bandsalat gehört damit der Vergangenheit an.

Revox B77 Stereo: Eine konsequente Weiterentwicklung des fast schon legendären Vorläufers A77, mit einer reibungslosen und betriebssicheren Steuerung aller Bandlauffunktionen über eine neuentwickelte Logikspeicherung, einer genauen Aussteuerungs- und Aufnahmekontrolle sowie einer Tonschnitt-Einrichtung.

Im Inneren des Gerätes geschieht dies einfacherweise durch Abtastung des Außenläufers des rechten Wickelmotors. Ist keine Drehung mehr vorhanden, wird der vorher eingegebene, gespeicherte Tastenbefehl durchgeführt. Das gilt auch für den Wechsel von Umspul- auf Bandlauffunktionen; bei Änderung der Umspulrichtung allein werden lediglich die Speisespannungen der Wickelmotoren gegenseitig gewechselt. in einfacher Erweiterung lassen sich alle Funktionen über einen externen Zusatz fernsteuern, Schaltuhrbetrieb und Dia-Impulssteuerung sind ebenfalls möglich; ein eigener Dia-ImpulsTonkopf läßt sich im Tonbandgerät nachrüsten.

Aussteuerung und Anzeige: Fast ein Drittel des in Monitor-, Aufnahme- und Kontrollteil gegliederten Bedienfeldes nehmen die großen, beleuchteten Aussteuerungsmesser ein. Anders als bisher sind sie ständig mit dem Monitorschalter auf Vor- bzw. Hinterbandhören geschaltet und gestatten somit die beste Kontrolle der Aufzeichnung und mithin natürlich auch des Bandmaterials.

Blitzschnelle Übersteuerungsanzeige durch Leuchtdioden

Bei heute üblichen hochwertigen Bändern ist dann stets der Pegel vorband zu messen, der hinterband wieder herauskommt; schlechtes Material zeigt gravierende Unterschiede bis zu 5 dB und mehr an!

Ergänzt wird die Aussteuerungsmesung der B77 durch eine Spitzen und Übersteuerungsanzeige über zwei Leuchtdioden, die bedeutend schneller reagieren als die Zeigerinstrumente. Übersteuerungen von einigen Millisekunden zeigen die LED's sofort an, während die VU-Zeiger erst mit ca. 300 msec ein- und ausschwingen.

Die ruhigere Anzeige des VU - ("Volume Units") Prinzips ist jedoch den Höreigenschaften des Ohres besser angeglichen als eine reine Spitzenbewertung, d. h. sehr kurzzeitige Verzerrungen werden nicht wahrgenommen. Bedrohlich wird eine Aussteuerung erst, wenn die LED's ständig und länger aufleuchten; eine Kombination von LED/VU stellt eigentlich für transportable Bandgeräte die beste Art der Aussteuerungsanzeige und -messung dar.

Die genaue Hörbeurteilung des Vor- bzw. Hinterbandpegels fordert allerdings auch eine ebensolche Anpassung an den nachfolgenden Verstärker. Da die B77 als reines Tapedeck funktioniert, sind rückseitig zwei Ausgangspegelregler angebracht.

Für schöpferische Tonarbeit ist praktisch gesorgt

Bandmontage mit der B77:.Kommen wir nun zum praktischen Bandkomfort, der Verarbeitung und dem Schnitt des Materials, was für die "schöpferische" Tonarbeit und zur Filmvertonung unerläßlich ist. Hier kann die B77 mit einer seitlich rechts befindlichen Klebeschiene und -schere aufwerten. Die Schiene ist exakt in Fluchtrichtung der Bandführung an den Köpfen angebracht, das Band braucht also nicht aus der Führung genommen werden, sondern wird einfach seitlich zum Schnitt weggezogen und bearbeitet.

Die Schere schneidet auf leichten Fingerdruck hin das Band exakt im genormten 60° Winkel an der Stelle, die man zuvor am besten mit einem Fettstift direkt vor dem Wiedergabekopf markiert hat. Eine Cueing-Taste gestattet das langsame Abhören der Modulation, wenn von Hand die Spulen bewegt werden; so läßt sich silbengenau eine Tonmontage bzw. -korrektur vornehmen.
Eine senkrechte Markierung in der Klebeschiene 3,3 cm vor der Schnittstelle kennzeichnet genau den Abstand, den Sprech- von Hörkopf zueinander haben; hierdurch kann äußerst genau geklebt werden. Natürlich eignen sich für eine saubere, unhörbare Bandmontage nur genügend steife, am besten rückseitenmattierte Bänder der Normal- oder Langspielgattung, die auch besser wickeln. Doppelspielband und noch dünneres Material sind für B 77 schon deshalb nicht geeignet, da hierbei die Bandendabschaltung über die Infrarotlichtschranke ständig anspricht.

Selbst normal übliches Amateurband kann, wenn es einmal verknittert oder gefaltet wurde, an diesen Stellen durchscheinend werden, zwar nicht für das Auge, aber doch die sensible IR-Abtastung und das Gerät stoppt sofort den Bandlauf.

Dies ist eigentlich richtig, der Bandfehler sollte herausgeschnitten werden. Im weiteren Sinne sollte es möglich sein, durch das IR-Prinzip auch größere Drop-Outs und andere Fehler im Band schon vor der Aufnahme herauszufinden.

... dazu gehört auch die veränderte Bandgeschwindigkeit

Stetig veränderliche Bandgeschwindigkeit: Ein unzweifelhaft wichtiger Vorzug für eine Bandmaschine höherer Gattung ist letztlich die stetig veränderliche Bandgeschwindigkeit, die bei der B77 über einen externen Zusatz funktioniert. Man gibt damit dem erweiterten Studiobetrieb, dem praktizierenden Musiker und schließlich auch dem "kreativen" Tonexperiment eine wertvolle Einrichtung. Eine Verringerung oder Erhöhung der Bandgeschwindigkeit ist zu den ersten beiden Zwecken ganz allgemein notwendig, vor allem wenn mehrere Tonbandgeräte synchron eingesetzt werden. Dies ist auch für die synchrone Filmvertonung nicht zu umgehen, solange noch nicht mit Perfoband gearbeitet wird. (Auf einzelne diesbezügliche Sonderwünsche der A77-Besitzer hin gab das Werk hier früher für Interessenten Empfehlungen für die Nachrüstung der Tonmotorsteuerung.

Das" Innenleben" mit den drei Motoren.

Ein Blick hinter die "Kulissen" der B77 Maschine: Die sonst übliche und aufwendige Mechanik ist durch eine neuentwickelte Elektronik abgelöst worden. Leicht zu bedienende Tipptasten steuern den gesamten Spulvorgang so präzis, daß ein früher so häufiger "Tonbandsatat" der Vergangenheit angehört

Schon ganz kleine Abweichungen von den Normgeschwindigkeiten 9,53/19,05/38,1 cm/sec, die sich sonst nur mit einem Meßband feststellen lassen, ergeben Schwebungen. Einflüsse auf Abweichungen haben nicht selten auch die Bandsorte (Schlupf und Winkelgeschwindigkeit!) und der Wickeldurchmesser. Besonders stark wirkt sich ein Fehler bei Playback oder Multiplaybackaufnahmen aus, weil mit jedem Kopiervorgang eine Selbstaddition erfolgt. Am besten ist, wenn eine Maschine mit Hilfe eines Meßbandes auf exakte Geschwindigkeit gebracht wird, und die anderen Bandgeräte nach diesem Vorbild schwebungsfrei "gestimmt" werden.

Die B77 stimmt auch verstimmte Klaviere

Eine andere Anwendung der frei veränderlichen Tonmotorsteuerung ist, wenn im Playbackverfahren eine Liveaufzeichnung zugespielt werden soll und die Instrumente der Erst- oder Liveaufnahme nicht zueinander stimmen (z. B. Klaviere, Orgel), bedingt auch durch unterschiedliche Raumtemperatur. Hier hilft die elektronische Nachstimmung über einen Achtel-, Viertel- oder sogar Halbton. Gewisse Umstände von Solisten oder Dirigenten lassen sich ebenfalls in dieser Art bei Playback angleichen. Bei der B77 wird für diese und vorgenannte Zwecke die Feinregulierung der Bandgeschwindigkeit herangezogen.

Natürlich ist die externe Tonmotorsteuerung auch ein zusätzliches Instrument für die "kreative" Gestaltung des Charakters von guten und komplexen Tonaufnahmen.

Allerdings ist zu berücksichtigen, daß bei stärker veränderter Bandgeschwindigkeit sich auch der Frequenzgang und das Klangspektrum entsprechend ändern, so daß hier die Entzerrung nachzustimmen wäre. Will man vermeiden, daß z. B. eine Aufnahme mit zunehmender Bandgeschwindigkeit schneller wirkt, so müssen rotierende Tonköpfe eingesetzt werden. Dadurch ändert sich nur das Klangspektrum, so daß ein interessanter Spracheffekt der ist, daß eine Frauen- zu einer Männerstimme wird und umgekehrt.

... durch musikalische Quinten nach oben und unten

Die Methode eignet sich auch zur Zerlegung einzelner Sprachlaute in ihre Spektren sowie zur Grundfrequenzanalyse von Sprachverläufen. Dazu wird das Band angehalten, der Kopf rotiert, greift einen kleinen Teil der Aufzeichnung ab und verlängert diesen beliebig lange (es ist hierzu eine Bandmaschine mit bis zu 20 rotierenden Köpfen bekannt).

Eine andere Anwendung mit senkrecht zum Bandvortrieb rotierenden Tonkopf ist die heute gängige Bildaufzeichnung beim Fernsehen nach dem Ampex-Verfahren; nur hierdurch läßt sich der extreme Frequenzbereich von 5,5 Megahertz erreichen. Die Rotierung bedeutet also eine diskrete Abtastgeschwindigkeit im Gesamtvortrieb, der durch diesen Kniff wesentlich höher liegt. Auch ohne dies ist der veränderliche "tape drive" der B77 für diese Anwendung interessant, der im Grobbereich eine musikalische Quinte nach oben bzw. nach unten umfaßt. Insgesamt ist es mehr als eine Oktave, bezogen auf die Bandgeschwindigkeit 19,05 - also eine Veränderung von 6,5 bis 28 cm/sec.

Analog dem bekannten Zeitlupen- und -raffervorgang beim Film werden die Ton-Klangeffekte hörbar, die bislang dem rein professionelles Sektor vorbehalten waren: Die Vertonung von Comic Strip's, Tierstimmennachahmung und -artikulation, schließlich auch "surreale" Kläge für jede Art der Eigenkomposition.

Klavier- oder Orgelaufnahmen erhalten dadurch ein ganz anderes Spektrum und Timbre, selbst die Verhallung von Tönen hört sich über die Tonmotorsteuerung verändert ganz anders an. Aus einer Autohupe läßt sich z. B. mit Hall und "tape drive" eine Sirene machen.

Sonderwünsche werden auch noch berücksichtigt

Interessant ist auch die Verwendung von Tonbandendlosschlaufen: Man erhält durch die ständige Variation von nur ein paar Originalklängen, etwa dem Thema der "Tagesschau" eine ganze Serie eigener Melodien. Die Anwendung zusätzlicher Filter, auch der Internechoschaltung als Dreikopfgerät, erlaubt noch mehr Möglichkeiten.

Auf Sonderwunsch kann die B77 auch in den Geschwindigkeiten 2,28/4,75 oder 19,05/38,1 cm/sec in der jeweiligen Entzerrung NAB bzw. IEC (CCIR) geliefert werden. Erstere Entzerrung klingt etwas voller in den Tiefen, letztere ist mehr mitten- und höhenbetont. Tonstudios bevorzugen die letztere Entzerrung, da sie neutraler "klingt".

Obwohl die Tonqualität praktisch die gleiche geblieben ist, gereichen die neuen Einrichtungen der B77 dem Filmamateur sicherlich zum Vorteil. Für den in ständiger Ausweitung begriffenen Audio- und Videobereich ist die Maschine attraktiv und preisgünstig angelegt.

Dr. S. Brodka/P. A. Defilla

Weitere Informationen erhalten Sie beim autorisierten Fachhandel oder direkt bei STUDER REVOX.

Schweiz:
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WILLI STUDER GmbH, Talstrasse 7, D-7827 Löffingen
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Quelle: Sonderdruck aus "Film & Video" 5/1979


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